Falschmünzer (1676) aus “Kriminalfälle aus der Reichsstadt Frankfurt”

Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt am Main

Falschmünzer

Zu den traurigsten Kapiteln der Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts gehört das Geldwesen. Schon das Fehlen jeglicher geldwissenschaftlicher Erkenntnis und der Mangel an einer wirksamen Zentralregelung oder auch nur zwischenstaatlicher Vereinbarungen zwischen den einzelnen Territorien musste sich verhängnisvoll auswirken. Es erscheint uns heute fast rätselhaft, wie der Zahlungsverkehr bei der Buntscheckigkeit der Zahlungsmittel  überhaupt einigermaßen funktionieren konnte. Man kann in dieser Zeit aber eigentlich nicht von einem Geldwesen, vielmehr nur von einem Geldunwesen sprechen. Allein der Umstand, dass jeder kleine Potentat Münzen schlagen lassen oder das Münzregal an private Unternehmer verpackten konnte, musste den Geldverkehr erschweren. Finanzschwache Fürsten oder skrupellose Münzpächter brachten hochwertige Münzen an sich und schmolzen sie in eine größere Zahl geringwertiger Münzen um. Beim Münzen des Geldes betrog jeder jeden: Landesherren gaben minderwertige aus, die sie von ihren Untertanen dann selbst nicht mehr annehmen wollten. Münzmeister ließen einen Teil des ihnen anvertrauten Edelmetalls in ihre Taschen fließen. Kleine Aufkäufer sammelten aus mehr oder minder trüben Quellen Edelmetalle von fragwürdiger Reinheit und lieferten sie an die Münzen. In Frankfurt, dem führenden Ort Deutschlands im Geldhandel, wurden alle Münzen gehandelt, und dieser Geldhandel in der Stadt war das Barometer des Währungsverfalls. Die Stadt hatte viele Beschwernisse aus zustehen, weil sich an dem führenden Geldhandelsplatz natürlich die Missstände im Geldwesen am deutlichsten zeigten. Es entspricht der menschlichen Natur, den Sitz des Übels zunächst einmal dort zu suchen, wo es in seinen Äußerungen am deutlichsten zu Tage tritt.

Taler 1572

Taler 1572

Die Zustände im Münzwesen mussten ein weit verbreitetes Falschmünzerunwesen züchten, waren doch die Landesherren,

Gold Dukat aus dem Mittelalter

Gold Dukat aus dem Mittelalter

die minderwertige Münzen ausgaben, eigentlich selbst die größten Falschmünzer. Frankfurts Stellung im Geldhandel musste sich auch auf dem Gebiet der Münzdelikte auswirken. Auf der einen Seite hatten hier Falschmünzer und Falschgeldverbreiter günstige Gelegenheit, ihre heiße Ware unterzubringen. Auf der anderen Seite aber mochte das Risiko eines solchen Unternehmens in einer Stadt auch erheblich sein, in welcher der Geldwechsel mit großer Sachkenntnis betrieben wurde. Wenn man diese Stellung Frankfurts berücksichtigt, so ist die Zahl überführter Falschmünzer und Falschgeldvertreiber gering. Für die Zeit von 1562 bis 1695 lassen sich nur zehn Fälle feststellen, in denen eine Bestrafung wegen begangener Münzdelikte erfolgte. Die Bemühungen, wenigstens des kriminellen Geldfälschertums Herr zu werden, hatten offensichtlich keinen großen Erfolg.

Wie es einem geschickten Falschmünzer möglich war, sich auch in einer äußerst prekären Situation der Strafe zu entziehen, zeigt der Fall des Johann Dietrich Schlüter.

Im Jahr 1676 wird dieser Goldschmied und “Siegelgraber” in Frankfurt verhaftet, “wegen alhie einer Jüdin gegen anders gut Geld ausgegebenen- und ausgewechselter falsch Dukaten holländischen Gepräges, welche an Gewicht zwar vollständig und wichtig, inwendig aber Blei und mit gutem Gold sehr subtil überzogen”. Schlüter hatte versucht, zwanzig solcher sehr “subtil” mit gutem Gold überzogenen Dukaten, eine sehr bedeutende Summe, zusammen mit seinem Bruder anzubringen. Als die Fälschung erkannt worden war, hatte er versucht, sich aus dem Staube zu machen, was aber nur seinem Bruder gelang.

Bei seiner ersten Vernehmung gibt Schlüter einen kurzen Überblick über seinen beruflichen Werdegang. Er hat sechs Jahre gelernt und ist dann weitere sechs Jahre auf der Wanderschaft gewesen, die ihn bis nach Königsberg und Stockholm geführt hat. Nach dieser Wanderschaft ist er durch die Berufung des Landesfürsten nach Weilburg gekommen und dort lebt er nun schon seit neun Jahren. Die Dukaten, welche er zum Geldwechsel gegeben hat, will er von einem Marketender bekommen haben. Der Rat  hat aber auch schon gewisse Informationen erhalten. Man dringt in ihn, ob er denn nicht die Dukaten selbst hergestellt habe und nicht auch schon in Marburg Falschgeld ausgegeben habe. Bei Gott nein, antwortet Schlüter, da solle Gott ihn vor behüten, er habe nur diese zwanzig Dukaten gehabt, die er aus Weilburg mitgebracht habe. Es wird ihm weiter, “beweglich zugesprochen”, ob er nicht die Dukaten selbst gemacht habe und wohl diese nicht allein, wenn er nicht gütlich gestehe, so werde man schärfere Fragen an ihn richten. Schlüter sucht um einen Verteidiger nach und äußert, er wolle nicht hoffen, dass man ihn mit der Folter bedränge, er sei in Gottes und der Obrigkeit Hand. Auf Anfrage in Weilburg erfährt der Rat, dass Schlüter für die Grafen Schaumburg und Leiningen Prägestempel geschnitten hat. Eine Haussuchung bei dem Verhafteten in Weilburg bleibt ohne Ergebnis, denn einmal ist bei Schlüter als Goldschmied und Stempelschneider Falschmünzerwerkzeug unverdächtig, zum anderen aber dürfte der flüchtige Bruder Schlüters Weilburg früher erreicht haben als der Stadtbote, und er wird schon dafür gesorgt haben, dass keine verdächtigen Werkzeuge gefunden wurden.

Die Angehörigen Schlüters und insbesondere dessen Ehefrau bleiben auch weiter nicht müßig. Sie wenden sich an den Grafen von Weilburg-Saarbrücken, und dieser bittet den Rat, Schlüter einen Verteidiger beizugeben. Dem Wunsche dieses hohen kann sich der Rat auf die Dauer nicht widersetzen, wenn er auch zunächst die Bestellungen eines Anwalts noch hinausschiebt. Trotzdem sieht die Sache schlimm für Schlüter aus. Auch in der Judengasse unter den Geldwechslern hat sich der Fall natürlich herumgesprochen, und diese haben ein begreifliches Interesse daran, dass einem Falschmünzer das Handwerk gelegt wird. Am 4. Oktober 1676 meldet sich der “Jud zum Buchsbaum” und legt sieben falsche Dukaten vor. Er berichtet hierzu, diese Münzen stammen von dem Juden Hirsch aus Marburg.l Buchsbaum hat sie vor einiger Zeit umwechseln sollen, sie aber als Fälschung erkannt und zurückgegeben. Jetzt hat er sie sich wieder schicken lassen, um sie dem Rat vorzulegen. Der Rat lässt nunmehr Hirsch aus Marburg kommen, der schon am 6.Oktober zur Stelle ist. Zunächst wird nun Schlüter allein vernommen, der natürlich von diesem Vorgang nichts weiß und behauptet, nur jene Dukaten gehabt zu haben, wegen denen er jetzt verhaftet ist. Alles weitere Zureden hilft nichts. Nun wird Hirsch hereingeführt. Schlüter erbleicht. Er hat auch allen Grund dazu, denn Hirsch erkennt ihn sofort wieder. Hirsch erklärt, dies sei der Kerl, der seinem Bruder etliche falsche Dukaten eingewechselt habe. Schlüter entgegnet ihr, er irre sich. Doch Hirsch ist seiner Sache ganz sicher: Schlüter habe in Marburg dasselbe graue Kleid getragen, aber nicht diesen braunen Rock, jedoch einen Degen ein ein Leibhehänge mir Seidenfransen. Schlüter bleibt bei seinem Leugnen, er will auch sehr lange Zeit nicht in Marburg gewesen sein. Hirsch wird wieder hinausgeführt und sagt nun weiter aus: Schlüter sei dreimal zu seinem Bruder gekommen, um Geld zu wechseln. Der Bruder habe ihm brandenburgische Gulden geben wollen, die Schlüter aber mit der Begründung zurückgewiesen habe, sie seien abgesagt. Deshalb habe er dann perleburg-solmssche Gulden bekommen.

Schlüter bleibt jedoch bei seinem Leugnen. Er will einen Advokaten haben. Ein gutes Gewissen sei der beste Advokat, wird ihm entgegnet. Während Schlüter auch bei einem weiteren Verhör hartnäckig bleibt, richtet seine Ehefrau die “demütig hochbetrübte Magd” Gertraud Schlüter mehrere Bittschreiben an den Rat, die für Schlüter zwar nicht ganz ungefährlich sind, aber angesichts der schweren Belastung doch wohl taktisch geboten erschienen: Schlüter habe im Jahr 1673 bei französischer Einquartierung die Dukaten von einem französischen Marketender als Bezahlung für Schmucksachen erhalten und als echt angenommen. Erst als er sie später habe einschmelzen wollen, habe er gesehen, dass sie gefälscht waren. Um nun den außerordentlichen Schaden von sich abzuwälzen, habe er sich betören lassen, diese Dukaten weiterzugeben, aber nur an Juden und nicht an ehrliche Christenmenschen. Inzwischen aber wird Schlüter weiter so stark belastet, dass er für unsere Begriffe überführt wäre: Der Jude Abraham aus Marburg erkennt Schlüter ebenfalls. Es wird auch bekannt, dass ein Marburger Jude fünfzig Dukaten an die Münze nach Gießen geliefert hat, die sich als falsch erwiesen haben. Der Jude war verhaftet worden und hatte eine Personenbeschreibung des Mannes gegeben, von dem der diese falschen Dukaten erworben hatte. Er hatte diesen Mann für einen Studenten gehalten, im übrigen aber deckt sich die Beschreibung mit derjenigen Person Schlüters. Demgegenüber ist Schlüters Verteidigung schwach. Er meint, die Juden seien den Christen feindlich gesinnt und wollten sich an ihm rächen.

Trotz aller dieser sehr schweren Verdachtsmomente kommt es nicht zu einer Verurteilung, selbst die Folterung wird nicht vom Rat angeordnet, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass Schlüter sich einer gewissen Protektion durch seinen Landesherren erfreut. Schlüter bekommt den erbetenen Advokaten beigeordnet, und dessen Bemühungen ist es wohl zu danken, dass Schlüter schließlich sehr glimpflich davonkommt. Nach langer Haft, die unter den damaligen Verhältnissen und in der Winterzeit als schwere Leibesstrafe anzusehen ist, wird er am 10. Juli 1677 entlassen und für zehn Jahre aus der Stadt

ausgewiesen. Sicher hat dieser Meister seines Fachs noch lange und mit großen Gewinn seine Kunst ausgeübt, denn die Katze lässt ja bekanntlich das Mausen nicht. Aber, um bei Sprichworten zu bleiben, und den bekannten zum Wasser gehenden Krug zu zitieren: Schlüters Krug ging noch 29 Jahre zum Wasser bis er brach: Am 6. Februar 1705 wurde Johann Dietrich Schlüter wegen Falschmünzerei in Hanau mit dem Schwert hingerichtet.

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