Das Frankfurter Kunstmuseum “Städel” wird 200 Jahre alt (1)

Das Frankfurter Kunstmuseum “Städel” wir in diesem Jahr 200 Jahre alt. Aus diesem Grund wollten wir einen Bericht über dieses außergewöhnliche Museum machen, wir haben seit 2 Wochen alles gelesen was man so über das Museum finden konnte. Eine ganze Menger kam zusammen. Viele Daten, Fakten, Namen und natürlich die Werke die im Museum eingelagert und präsentiert sind. Dann stießen wir gestern auf den sehr guten und fundieren Artikel mit dem Tital “Städels Erben” von Stephan Finsterbusch, inder FAZ vom 6. März 2015 aus dem Wirtsschaftsteil unter der Rbubrik “Menschen & Wirtschaft”.

Es ist uns wichtiger unsere Leser mit außergewöhnlichen Artikeln zu erfreuen, anstatt eine Reihe von Terminen und Daten aufzulisten, die den Leser langweilen würden. Herr Finsterbusch hat den Artikel hervorragend recherchiert und präsentiert. Deshalb bleibt uns nur diesen hier zu veröffentlichen und Ihrer eigenen Beurteilung zu überlassen.

Entwurf und Realität

Entwurf und Realität

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Städels Erben
Das Frankfurter Städel-Museum wird zweihundert. Nicht der Staat, sondern viele Gönner erhalten es am Leben. Alles begann mit einem geheimnisvollen Erbstreit.
07.03.2015, von Stephan Finsterbusch

Christian Friedrich Mühlenbruch war wütend. Wer hatte den Frankfurtern den Tipp gegeben? Im Kollegium Mühlenbruchs, der im Jahr 1805 Chefjurist der Universität Halle war, musste ein Verräter sitzen. Dabei hatte er doch alles perfekt vorbereitet. Er wollte mir Rechtsgutachten das Testament des kinderlos verstorbenen Frankfurter Millionärs Johann Friedrich Städel anfechten und sich im Erbstreit auf die Seite von dessen französischer Verwandtschaft schlagen. Städels Kunststiftung sollte nichts erben, sein letzter Wille nicht zählen. Mühlenbruch brach ein Tabu. Frankfurt, sein Gegner, reagiert
Zweihundert Jahre später wird die Kunsthistorikerin Corina Meyer sagen: „Damals stand eines der größten Vermögen Europas und eine der schönsten Sammlungen Deutschlands auf dem Spiel.“ Heute steht beides am Main. Die Stiftung und das Museum. Meyer kennt ihre Geschichte. Sie ist in die Archive gestiegen, hat Akten, Briefe und Bilanzen gelesen, einen Schatz gehoben und ein Buch geschrieben. Es geht um Kunst und Kommerz, juristische Haken und rechtliche Finten, die ersten schweren Jahre von Frankfurts berühmtestem Haus.

Das Städel als Vorbild vieler Privatmuseen

„Für uns ging es um alles oder nichts“, sagt Nikolaus Schweickart. Er ist der Chef der Administratoren von Städels reichem Vermächtnis. Ein Museum am Main, getragen von einer Stiftung, von Spenden und Sponsoren. Privat und engagiert. Die Bürger lassen sich das einiges kosten. An den Wänden hängen Werke im Wert von Milliarden, in den Depots liegt Kunst aus siebenhundert Jahren. „Dabei hätte es uns fast gar nicht gegeben“, sagt Max Hollein. „Mit Mühlenbruch standen wir Spitz auf Knopf.“

Der Fall sollte Kunst-, Finanz- und Rechtsgeschichte schreiben, Generationen von Juristen beschäftigen, einen Weltbestseller inspirieren und ins Bürgerliche Gesetzbuch eingehen. Denn am Main haben sie aus dem einst umstrittenen Erbe eine Unternehmung globaler Bedeutung gemacht. Das Städel stand Pate für Privatmuseen wie das Poldi Pezzoli in Mailand oder die Morgan Library in New York. Es firmiert bis heute im Namen seines Stifters, hat 140 Mitarbeiter, ein Budget von 20 und eine Bilanzsumme von 60 Millionen Euro. Das Haus steht auf eigenem Grund und Boden in bester Lage mit Blick auf die Skyline. Im vergangenen Jahr zog es eine halbe Million Besucher an. Dieses Jahr wird es zweihundert Jahre alt.

Chefadministrator Schweickart leitet die Stiftung; Hollein das Museum. Ein Bau aus der Gründerzeit, groß und prächtig. Ein langer Gang, zwei schwere Türen, ein hohes Zimmer, ein Tisch voller Akten. Hollein nimmt einen Stapel Bücher vom Stuhl und kommt rasch zum Punkt: Die Ausstellungen zum Jubiläumsjahr stehen, die Festschriften sind geschrieben, die Kataloge gedruckt. Im Internet fährt er eine digitale Offensive. Er hat das Haus komplett vernetzt. Multimedia im Museum. Die Party kann beginnen. Am Anfang wird es eine Schau zu Claude Monet und den Impressionisten, am Ende eine zu John Baldessari und den Zeitgenossen geben. Dazwischen zeigt das Städel, was es hat und was es kann. Restaurieren und kuratieren, sammeln und bewahren, forschen und präsentieren: die neue und die alten Schule; Italiener, Holländer, Spanier und Engländer; Malerei, Grafik, Plastik und Fotografie. Hollein hat für alles Sponsoren gewonnen.

 

Originale im Städel

Originale im Städel

Lucas_Cranach_d._Ä._071 Dr._Gachet van GoghOhne die Sponsoren gäbe es das Museum nicht. Hollein beherrscht den Umgang mit ihnen, das Werben, es ist Teil seiner Arbeit. „Drei Viertel unseres Haushalts stemmen wir selbst“, sagt er. Das ist nicht einfach, doch macht unabhängig. Vernissagen müssen in Frankfurt immer auch Kassenschlager sein. Die Schauen der Werke von Dürer bis Botticelli haben sich zu rechnen. Hollein ist stets auf der Suche nach Geld. An seiner Seite steht ein Verein Tausender kunstinteressierter Bürger. Er war vor mehr als hundert Jahren schon von Leopold Sonnemann, dem Herausgeber der „Frankfurter Zeitung“, gegründet worden. Heute steht Sylvia von Metzler an seiner Spitze. Sie weiß die alten Familien der Stadt in ihren Reihen. Gelebtes Mäzenatentum. Hollein will keine Namen nennen, doch einen erwähnen: Dagmar Westberg. Eine Dame von Welt und Geld. Ihr Großonkel hatte einst Nivea erfunden; seine Erbin liebt die Kunst und die Kultur. Ihren 100. Geburtstag im Dezember feierte sie im Städel. Einer der Räume trägt Dagmar Westbergs Namen. Sie kennt die Bilder. Den Goya, den Munch, den Spitzweg und Beckmann – sie alle kamen von ihr. Gaben ans Haus und Geschenke für alle. Wie zu jedem ihrer Geburtstage beschenkte sie ihre Gratulanten. Im vergangenen Jahr übergab Dagmar Westberg dem Museum ein Werk von Jusepe de Ribera. Kunst für Millionen, die ihren Preis hat.

Gute „Kunstmanager“ sind rar

„Museen“, sagt Hollein, „wollen nicht mehr verwaltet, sie müssen heute gemanagt sein.“ Marketing und Merchandising, Computer-App und doppelte Buchführung. Er weiß, was ein Cashflow und was ein Chagall ist, stammt aus einer Kulturfamilie in Wien, hat Kaufmann gelernt und Kunst studiert. Er arbeitete am Guggenheim in New York und kam dann an den Main. Hier kaufte und baute er, vermehrte die Sammlung, vergrößerte das Haus und machte sich einen Namen. Museen aus aller Welt werben um ihn.

„Da geht es zu wie in der Champions League“, sagt Schweickart. Von Vertragsklauseln und Ablösesummen ist die Rede. Hollein aber blieb in Frankfurt, die Administratoren sind froh. Denn gute Manager sind rar. Schweickart selbst war einer der Kapitäne der Industrie. Er bewegte Milliarden und verdiente Millionen. Seit 15 Jahren managt er die Stiftung. Er sitzt vor den Toren von Frankfurt; Bad Homburg im Taunus; ein Kurort über der Stadt. Am Ortsrand stehen die Häuser der Quandts, einer Familie mit Vermögen, Schweickart ist ihr enger Vertrauter. Er führte ihre Firmen und Konzerne. Heute pflegt er Ehrenämter. Im Städel trägt ein Saal seinen Namen. Sein Büro ist schlicht, doch chic. Dunkler Teppich, helle Wände, viele Bücher, ein paar Bilder. Er redet vom Städel und seinen großen Männern: von Passavant, der Mitte des 19. Jahrhunderts die Sammlung um Italiener wie Tizian und Raffael erweiterte; von Swarzenski, der die Moderne an die Wände hing und vor den Nazis floh; von Gontard, der zu Bismarcks Zeit dem Haus seinen heutigen Platz gab; vom Deutsche-Bank-Chef Abs, der als Administrator das Städel in den siebziger Jahren wie seine Privatsammlung führte.

Schweickart hat seine eigene Agenda. In den vergangenen Jahren hob er das Stiftungskapital von 3 auf 20 Millionen Euro an. „In fünf Jahren will ich es bei 30 Millionen haben. Das Haus soll unabhängig, frei und staatsfern bleiben.“ Städels letzter Wille liegt in den Archiven der Stadt. Ein Aktenspeicher wie ein Panzerschrank. Stahltür, dicke Mauern, eine Kiste alter Kladden. Der Archivar Michael Kolod holt sie aus dem dunklen, gekühlten Verließ und stellt sie auf den Lesetisch. Als der hochbetagte Kaufmann Johann Friedrich Städel am 15. März 1815 mit geschwungener Signatur sein Haus bestellte, zeichnete er nicht nur sein Testament, sondern auch den Stifterbrief über eines der größten Vermögen in Europa ab.

Bereits Humboldt bewunderte die Sammlung

Unter dem Bilanzstrich seines Bank- und Handelshauses stand die Summe von 1368016,2 Gulden. Goethe glaubte, da sei ein Komma verrutscht; Rothschild war im Bilde. Der kauzige Alte vom Frankfurter Roßmarkt besaß mehr Geld als Europas kommendes Bankhaus, sagt Schweickart. Städel hatte alle im Land auf der Rechnung und die großen Meister an der Wand. In seinem Schuldnerbuch stehen in bleichen Schnörkeln die Namen von Bürgern, Fürsten und Bischöfen: die Solms, Esslingers, und Neuwieds, die Badens und Waldecks, die Wittgensteins, Glauburgs und die von der Leyens. Viele der Familien sind bis heute Freunde, Spender und Sponsoren des Hauses.

Dort, wo sich heute in Frankfurt die erste Filiale der Deutschen Bank erhebt, stand Städels Firma. Vier Etagen, schlichte Fassade, geräumige Zimmer. „Städel besaß Werke von Rembrandt bis Leonardo, von Tizian bis van Eyck“, sagt Corina Meyer. Alles in allem fast 500 Gemälde, 3000 Zeichnungen und 9000 Stiche. Humboldt bewunderte, Schopenhauer liebte die Sammlung. Mit Städels Tod am 2. Dezember 1816 aber stand alles auf der Kippe.

Die Kunsthistorikerin Meyer sitzt in einem Berliner Café. Am Institut für Museumsforschung drüben ihn Dahlem, hat sie promoviert, in Frankfurt am Main über diesen alten, rätselhaften Herrn Städel recherchiert. Blatt für Blatt las sie sich durch Dutzende Archive und Tausende Dokumente. „Der Mann aber bleibt irgendwie im Dunkel der Vergangenheit“, sagt sie. Er hatte keine Frau und keine Kinder, kaum Freunde und wenige Bekannte. Er führte kein Tagebuch, schrieb wenige Briefe, hinterließ nichts Privates. Nur Schulden-, Bilanz- und Geschäftsbücher. Ein Leben in Zahlen und Rechnungen.

Mit 50 hatte er das Gewürzgeschäft des Vaters übernommen, mit 55 kaufte er ein neues Haus, mit 60 stieg er groß ins Bankgeschäft ein und starb im Alter von 89 Jahren als einer der reichsten Männer seiner Zeit. Nachdem er sein Vermögen durch alle Wirren der Zeit gebracht hatte, bestimmte er es für die Ewigkeit, rief für die Zeit nach seinem Tode die Gründung der ersten privaten Kulturstiftung des Landes aus; wird ihr sein Kapital überschrieben, an die Spitze der Sammlung einen Direktor und an die der Stiftung fünf Administratoren gestellt haben. „Kunst will gut bewahrt, Geld straff gemanagt sein“, sagt Administrator Schweickart. „Der Schritt mit dem Kunstinstitut und der Stiftung war neu und blieb nicht unumstritten.“

Der „Städel-Paragraph“ 84 des BGB

Erst mehr als 80 Jahre nach Städels Tod wurde die Antwort auf die Frage, ob eine noch nicht existente Stiftung erben darf, fest im deutschen Recht verankert. „Seit 1900 gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch den Paragraph 84“, sagt Christian von Oertzen, Partner der Kanzlei Flick Gocke Schaumburg. „Demnach gelte eine Stiftung für die Zuwendung des Stifters als schon vor dessen Ableben entstanden, auch wenn sie erst nach dem Tode des Stifters rechtsfähig anerkannt sei.“ Juristen sprechen heute vom Städel-Paragraph und arbeiten sich gern an ihm ab: der Kirchenrechtler Hans Kiefner und der Rechtshistoriker Hans-Jürgen Becker, der Anwalt Peter Kröll und Professor Ulrich Falk. Der hatte vor zehn Jahren darauf hingewiesen, dass der amerikanische Strafrechtler John Grisham in seinem Krimi „Das Testament“ einen Fall aufspießt, der dem Erbstreit von Frankfurt glich.

In Frankfurt liegt die Wahrheit in den blaugrauen Archivkartons des Städel. Alte Schriften, geschwungene Worte, braune Tinte. Spuren der Geschichte. Corina Meyer ist ihnen jahrelang gefolgt. Mit Laptop und Bleistift, Lupen und alten Schrifttabellen. Draußen, vor dem Fenster, floss viel Wasser den Main hinab. Drüben, auf der anderen Seite des Flusses, saßen die Banker in ihren Glastürmen die jüngste Finanzkrise aus. Drinnen im Archiv blätterte sich Meyer durch die alten Kladden und schrieb ihr Buch: „Die Geburt des bürgerlichen Kunstmuseums“ heißt es. „Dabei hatte sein letzter Wille auf wackligen Beinen gestanden“, sagt sie. Zwar sei gleich nach seinem Tod die Stiftung ins Leben gerufen, ihr das Vermögen der Firma übertragen, das Geld mit fünf Prozent in mündelsicheren Papieren gehalten, die Administration eingesetzt und das Haus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Doch dann meldeten sich ferne Verwandte. Zwei Halbcousinen und ein Cousin aus Straßburg und Paris. Sie strengten einen Prozess an, klagten das Erbe ein, verloren die ersten beiden Verfahren und standen nach zehn Jahre vor dem obersten Berufungsgericht in Lübeck. Die letzte Instanz.

Die Richter standen vor einer schwierigen Entscheidung und suchten Hilfe. Sie hatten die Akten an die Universität in Halle geschickt. Dort sollten die Juristen ein Gutachten schreiben. Chef des zuständigen Spruchkollegiums war Christian Friedrich Mühlenbruch, ein Vertreter der Römischen Rechtslehre. Peter Kröll wird ihn in seinem Buch „Das Städelsche Testament“ später „quellentreu“ nennen; Ulrich Falk beschreibt ihn als „hochintelligenten Parteienvertreter“. Mühlenbruch selbst hielt sich für „unerschütterlich“. An der Fakultät arbeitete er an dem bestellten Gutachten; in seinem Haus am Kirchtor in Halle schrieb er in aller Stille an einem Buch. Das Werk, so hoffte er, werde ein Bestseller und seine Karriere beflügeln.

Digitalisierung und Millionen-Investitionen

Doch es kam anders. „In dritter und letzter Instanz wurde der Rechtsstreit vor dem Oberappellationsgericht Lübeck 1829 abschließend durch Vergleich beendet“, schrieb Kröll. Die Frankfurter hatten den Prozess platzen lassen, sich mit der Verwandtschaft überraschend verglichen und ihr 311000 Gulden gezahlt. Sie hatten gute Gründe: War ihnen doch zugetragen worden, dass Mühlenbruch in seinen privaten Aufzeichnungen die Stiftung ein „Unding“ nannte. „Es gibt einen höheren Zweck als alle Kunstinstitute der Welt: das Recht.“ Die Frankfurter waren alarmiert. „Im Angesicht des drohenden Totalverlustes zahlten sie ein Drittel von Städels Erbe an die Verwandten in Frankreich aus, noch bevor Halle das bestellte Gutachten liefern konnte“, sagt Schweickart. Mühlenbruch war ausmanövriert. Wo aber lag die undichte Stelle? Die Quellen schweigen. Der Tippgeber wird nirgendwo genannt. Meyer spricht von einem Rätsel, Schweickart von einer guten Fügung.

Städel-Direktor Max Hollein sieht nach vorn, hat die Digitalisierung im Blick und millionenschwere Investitionen auf dem Programm. Das Museumsgeschäft dreht sich in eine neue Richtung. Und er will sein Haus ganz vorn dabei haben, spricht von virtuellen Ausstellungen und „Vernissagen jenseits der eigenen Mauern“. Die Sammlung wird digital erfasst, die Bestände geordnet. Bits und Bytes für große Meister. Das Projekt kostet Millionen. Hollein hat dafür wieder einmal eine Handvoll finanzstarker Sponsoren gefunden, Softwarefirmen und Forschungsinstitute.

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