Kornmarkt & Buchgasse – 800 Jahre Straßengeschichte

 

 

Kornmerkt

Kornmarkt

Die Straße

Eine Straße mit Geschichte, eine Straße die Geschichte machte in Frankfurt am Main. Der Kornmarkt entstand nach der Stadterweiterung des 12. Jahrhunderts. Seine erste Erwähnung findet sich in einer Urkunde des Stauferkönigs Friedrich II. vom 15. August 1219, also vor 804 Jahren. Er schenkte den Frankfurter Bürgern, ad supplicationem fedelium  nostrorum universorum de Frankinfort – eine dem Reich gehörende, am Kornmarkt gelegene Hofstätte, – aream seu curtem iacentem iuxta forum frumenti – für den Bau der Leonhardskirche. Dadurch verdoppelte sich die ummauerte Fläche von Frankfurt.

Der gesamte Straßenzug zwischen Katharinen- und Leonhardspforte trug im Mittelalter den einheitlichen Namen Kornmarkt. Später unterschied man 3 Abschnitte: der nördliche bis zur Kreuzung der Weißadlergasse und Großen Sandgasse hieß Kleiner Kornmarkt, der mittlere bis zur Kreuzung mit der Schüppen- und Paulsgasse Großer Kornmarkt. Der südliche Abschnitt von der Münzgasse bis zur Leonhardskirche erhielt im 17. Jahrhundert den Namen Buchgasse.

Die Frankfurter Buchmesse wurde geboren

Der südliche Teil der Straße war im Mittelalter das Quartier der Waffen- und Rüstungsschmiede. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts siedelten sich hier die ersten Drucker und Buchhändler an und verdrängten das vorher ansässige Handwerk. Nach den neuen Bewohnern erhielt der südliche Teil des Kornmarkts seinen heutigen Namen: Buchgasse. Die Händler hielten hier ab 1480 zweimal jährlich eine Buchmesse ab, die bald zur wichtigsten Europas wurde. Durch die liberalen Bestimmungen der Freien Reichsstadt konnten hier zu Beginn der Reformation sogar die Schriften Martin Luthers gehandelt werden, die anderswo wegen Ketzerei verboten waren.Bei der Messe 1520 verkaufte ein Frankfurter Buchhändler über 1400 Exemplare seiner Schriften. Luther stieg auf seiner Reise zum Wormser Reichstag am Sonntag, dem 14. April 1521 und auch bei seiner Rückkehr am Samstag, dem 27. April 1521 im Gasthof Zum Strauß ab. Der Gasthof zum Strauß lag an der Ecke Schüppengasse/Buchgasse; er wurde 1896 beim Durchbruch der Bethmannstraße abgebrochen.

Während sein Gegner Johannes Cochläus – zu jener Zeit Dechant des Liebfrauenstiftes – gegen ihn predigte, bereiteten ihm die Frankfurter Patrizier Philipp Fürstenberger, Arnold von Glauburg und Hamman von Holzhausen einen begeisterten Empfang. Bis in die späte Nacht diskutierten sie mit dem prominenten Gast, dessen Schriften ihnen bereits vertraut waren.

Im Jahr 1530 ließ sich der Buchdrucker Christian Egenolff aus Hadamar in Frankfurt nieder und eröffnete sein Geschäft auf dem Großen Kornmarkt in der Nähe der Buchgasse. Aus seiner Druckerei ging 1535 die erste in Frankfurt gedruckte deutsche Bibel hervor, auch den Faberschen Belagerungsplan von 1552 hat er gedruckt. Das berühmte Kräuterbuch von Adamus Lonicerus Medicus, seinem Schwiegersohn, wurd 1578 dort gedruckt. Das Buch ist handkoloriert und die Beschreibung erfolgt in 6 Sprachen. (Siehe in der Kategorie: Buch

Die Buchhändler und Verleger in der Buchgasse besaßen 20 Kellergewölbe, in denen Bücher, Stiche und Messekataloge verkauft wurden. Zu den Verkäuferinnen gehörten Dürers Frau Agnes und Maria Sibylla Merian. Im Jahre 1682 überschwemmte ein Mainhochwasser die Gewölbe der Buchhändler und richtete großen Schaden an den dort gelagerten Waren an.

Der englische Weltreisende Thomas Coryat besuchte 1608 die Frankfurter Messe. Er schrieb:

„In der Buchgasse sah ich eine so unendliche Menge Bücher, daß ich sie höchstlich bewunderte. Diese Straße übertrifft alles, was ich jemals sonst auf meinen Reisen sah. Sie erschien mir als ein wahrer Inbegriff aller der bedeutendsten Bibliotheken Europas.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg verschob sich das geistige Zentrum Deutschlands aus den Reichsstädten am Rhein in die absolutistischen Staaten im Norden und Osten, der Buchhandel wanderte nach und nach dorthin ab, vor allem nach Leipzig. Die dortige Buchmesse übernahm Frankfurts führende Rolle.

Im 19. Jahrhundert errichtete die Bankiersfamilie Bethmann, neben den ebenfalls aus Frankfurt stammenden Rothschilds eine der wichtigsten Bankiersdynastien ihrer Zeit, an der Ecke Schöppengasse/Buchgasse das repräsentative Hauptgebäude ihres Bankhauses.

Zwischen dem 6. November 1848 und dem 9. Januar 1849 nahm die Frankfurter Nationalversammlung ihren Sitz in der deutsch-reformierten Kirche, da ihr eigentliches Quartier, die Paulskirche, wegen Umbauarbeiten nicht genutzt werden konnte. Der Kornmarkt wurde so zum Schauplatz von 40 Sitzungen des ersten frei gewählten deutschen Parlaments.

In der freistädtischen Zeit war das gegenüber der reformierten Kirche gelegene Gebäude Großer Kornmarkt 12 Sitz des Appellationsgerichts des Stadtstaats.

Der Fortzug wohlhabender Bürger in zeitgemäßere Stadtteile ließ Befürchtungen aufkommen, dass die Altstadt zu einem Elendsviertel  herabsinken könnte.

Um dieser Gefahr zu begegnen, leitete der Magistrat unter Oberbürgermeister Franz AdickesMitte der 1890er Jahre ein weiteres Großprojekt in die Wege, durch das die Altstadt Anschluss an die rasante Entwicklung der gründerzeitlichen Stadt finden sollte. Mit einem Straßendurchbruch sollte eine breite Straße von Osten nach Westen durch die ganze Altstadt getrieben werden. Durch repräsentative Architektur sollte die weitere Sanierung der Altstadt angeregt werden, außerdem sollte die Altstadt im Zuge der neuen Verkehrsschneise endlich Anschluss an die bereits seit 1872 verkehrende Straßenbahn erhalten.

Der Bau der neuen Straße wurde im Westen begonnen. Ihr fielen hunderte Altstadthäuser zum Opfer, darunter so bekannte und für die Stadtgeschichte bedeutende wie der Nürnberger Hof oder der Hof Rebstock am Markt. In der Buchgasse fielen das Haus Zum Goldstein und der Baseler Hof. Querstraßen wie die Schöppen-, Pauls-, Römer- oder Kälbergasse verschwanden sogar ganz aus dem Frankfurter Stadtplan. Die neue Straße, die den Namen Bethmannstraße erhielt, wurde ungefähr im Verlauf der bisherigen Schöppen- und Paulsgasse trassiert. Beiderseits der Bethmannstraße entstanden 1900–1908 auf der Ostseite von Kornmarkt und Buchgasse nach Plänen der Architekten Franz von Hoven und Ludwig Neher die massiven Bauten des Neuen Rathaus, gekrönt von den beiden Rathaustürmen Langer Franz und Kleiner Kohn an der Buchgasse.

Die Straßenbahn in der Bethmannstraße nahm am 1. Mai 1899 den Betrieb auf und erhielt eine Haltestelle an der Ecke zum Kornmarkt.

An die ehemalige internationale Bedeutung der Straße Kornmarkt und Buchgasse erinnert vor Ort seit dem Wiederaufbau nichts mehr.

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