Frankfurt erlebt den “blauesten aller Montage”.
(zitiert wird ebenfalls aus einem Artikel von Alexander Ruhe, Kunsthistoriker aus Frankfurt, 1973 – Der große Batzenbierkrawall)
Auslöser der Krawalle war die Erhöhung des Bierpreises von 4 Kreuzer (1 Batzen) auf 4½ Kreuzer durch die Frankfurter Brauereigaststätten zum 1. April 1873. Bier hatte damals für die Arbeiter den Status eines Grundnahrungsmittels. Die Preiserhöhung um 12,5 % traf die schlecht bezahlte Unterschicht hart. Hinzu kam, dass es keine Halbkreuzermünzen gab, und man deshalb für das Bier zunächst fünf Kreuzer bezahlen musste und vom Wirt einen Gutschein über einen halben Kreuzer zurückerhielt. Der Gutschein war jedoch nur beim selben Wirt einlösbar.
Der 21. April war der letzte Tag der Frühjahrsmesse. An diesem Tag hatten die Frankfurter Arbeiter traditionell arbeitsfrei. Auf dem Bleichgarten an der Breiten Gasse fand ein Volksfest statt. Die auch auf dem Fest erhobenen erhöhten Bierpreise und die dennoch konsumierten Alkoholmengen führten zu einer zunehmend aggressiven Stimmung unter den Festbesuchern. Schon im Vorfeld waren Zusammenstöße befürchtet worden, in den Vorwochen war es in Mannheim und Stuttgart ebenfalls wegen erhöhter Bierpreise zu Unruhen gekommen.
Gegen 16 Uhr formierte sich aus der Masse der Festbesucher ein Zug von etwa 100 Personen, denen sich schnell weitere Personen anschlossen. Aus einem roten Vorhang wurde eine Fahne hergestellt, hinter der sich die Menge mit dem Schlachtruf ” Mir wolle Batzebier” in die Innenstadt bewegte.
In den folgenden Stunden wurden zahlreiche Brauereigaststätten von der Menge der Aufständischen zerstört. Mobiliar und Fenster wurden zerschlagen, Bier auf die Straße gekippt. Benachbarte, wenn auch eigentlich unbeteiligte, Geschäfte wurden geplündert. In manchen Brauereien verteidigte das Personal seine Arbeitsstätte gegen die wütende Menge: in der Brauerei Schwager in der Neuen Mainzer Straße mit Hilfe eines Schlauchs voll kochenden Biers, in der Brauerei Reichsapfel in der Großen Friedberger Straße mit glühenden Schürstangen.
Die Frankfurter Polizei war mit der Situation völlig überfordert. In der damals etwa 100.000 Einwohner zählenden, schnell gewachsenen Stadt standen ihr nur 53 Schutzleute zur Verfügung. Seit der preußischen Okkupation von 1866 lag in Frankfurt jedoch das 1. Kurhessische Infanterie-Regiment Nr. 81, das nun alarmiert wurde.
Die blutige Niederschlagung des Aufstands
Die Garnison entsandte am Abend sechs Kompanien zur Niederschlagung der Unruhen. In der Fahrgasse in der Altstadt schossen die Soldaten in die Menschenmenge. Erst gegen Mitternacht konnte die Armee die Situation unter Kontrolle bringen. 20 Menschen wurden von Soldaten erschossen, darunter eine alte Frau und ein zehnjähriger Junge. Die Toten wurden im Hospital zum Heiligen Geist aufgebahrt.
Am Morgen nach den Unruhen befand sich die Stadt im Belagerungszustand. Alle wichtigen öffentlichen Plätze, die Brücken und Bahnhöfe waren von Militär besetzt. Schulen, Geschäfte und Hotels blieben geschlossen. Zusätzlich zu den in Frankfurt stationierten Truppen waren drei Bataillone Infanterie aus Homburg, Mainz und Offenbach in Frankfurt zusammengezogen worden. In der Stadt und im Stadtwald wurden etwa 300 Verdächtige festgenommen.
Am 14. Juli 1873 tagte im Leinwandhaus ein Schwurgericht zur Aburteilung der Aufständischen. 47 Angeklagte, darunter viele Auswärtige, wurden zu Zuchthaus oder Gefängnis verurteilt, die Höchststrafen betrugen 4½ Jahre.
Die Frankfurter Brauereien kündigten nach dem Bierkrawall eine Rücknahme der Preiserhöhungen an, da ihretwegen nicht Leben und Eigentum bedroht werden sollte.
Politische Einordnung
Die politisch-soziologische Bewertung des Frankfurter Bierkrawalls ist umstritten. Einerseits kann das Ereignis keinesfalls allein auf das Wüten eines betrunkenen Mobs reduziert werden, andererseits fehlt hier der theoretisch-ideologische Hintergrund etwa des Pariser Kommuneaufstands zwei Jahre zuvor. Die Einordnung in den soziopolitischen Kontext der Gründerzeit legt einen Zusammenhang mit ähnlichen Hungerrevolten dieser von drastischen sozialen Ungerechtigkeiten geprägten Epoche nahe. So kam es im Juni 1872 in Berlin wegen Wucherpreisen für Arbeiterwohnungen zu gewalttätigen Krawallen. In München gab es bereits 1844 einen „Münchner Bierkrawall“, der ein Todesopfer forderte.
Die damals weit verbreitete Angst vor dem „kommunistischen Gespenst“ sowie der hohe Anteil auswärtiger „Aufwiegler“ nährten jedoch auch Vermutungen und Verschwörungstheorien. So witterten manche einen linken Umsturzversuch, während andere, etwa die Frankfurter Zeitung, die Drahtzieher im rechten Spektrum vermutete und fragte, ob hier eventuell die „Rote Gefahr“ bewusst für die Öffentlichkeit inszeniert worden war.
Zwei Jahre darauf wurde der Gulden endgültig von der Mark abgelöst und der Gulden, zu 60 Kreuzern wurde gegen 1,71 Mark umgetauscht und es stünde zu erwarten, daß die Wirte, nun mitten in einer Weltwirtschaftskrise, die eine Woche nach dem Batzenbier-Krawall begann, schon ihren Preis bekommen hätten, konnte doch kaum ein einfacher Arbeiter umrechnen, was das Bier nun in Pfennigen zu kosten hätte – “könnte” und “stünde” deshalb, weil 1875 auch die ersten Großbrauereien am Sachsenhäuser Berg gegründet wurden, die von Anfang an mit künstlicher Kühlung arbeiten und nun nicht mehr vollständig auf Natureis und den Winter zum Brauen angewiesen waren. Hatte es 1873 noch 180 Brauerein in Frankfurt gegeben, waren es im Jahre 1900 nur noch 17, das Bier war also eher billiger als teurer geworden.
Den Bierpreis zu erhöhen, hatten Frankfurts Brauer übrigens schon zuvor probiert. Schon 1795 hatte es einen Bierkrawall mit anschließender tagelanger Schließung der Wirtschaften und einer Senkung des Bierpreises gegeben. Und auch 1854, mitten während einer der schlimmsten Hungersnöte, die Deutschland erlebt hat, erhöhten die Frankfurter Brauer den Bierpreis von 4, auf 4 ½ Kreuzer.
Dies beantworteten die Frankfurter mit einem achttägigen Trinkerstreik, der die Wirte zum Einlenken brachte. Und – und hier schließt sich der Kreis – als die Sachsenhäuser Apfelwein-Wirte, die bereits 1880 erfolglos versucht hatten, den Schoppenpreis (Schoppen jetzt 3/8 Liter = 0,375 l) zu erhöhen, 1885 den Apfelweinring gründeten und den Schoppenpreis von 10 auf 12 Pfennige anhoben, reagierten die Apfelweingeschworenen, die Stammkunden der Wirte, ebenfalls mit einem Streik, was den Apfelweinring bewog sich aufzulösen und die Wirte bei ihren Kunden Abbitte zu leisten und die Preise wieder zu senken. Schon 1874 hatten die Wirte versucht zwischen dem viertel und dem halben Liter noch den 3/8 Liter einzuführen, was aber amtlicherseits nicht zugelassen worden war. Einige Apfelweinwirte waren aber schlau und schenkten ihr Stöffsche nicht länger in Bembeln, sondern auf – kleinere – Weinflaschen gezogen aus. Das bewog die Apfelweingeschworenen jetzt einen kleinen, in der Zeitung veröffentlichten, Vers zu verfassen:
Leuten die gerne roppen,
scheinen diese Schoppen
ein zu kleines Maß.
Weil es drum von Nöten
wird hiermit gebeten
um ein größeres Glas
Es ging also auch in Frankfurt anders.
Einen großen Teil dieses Artikels habe ich dem Internet Beitrag von Alexander Ruhe, Kunsthistoriker aus Frankfurt übernommen.